Lüderitz
125 Kilometer westlich von Aus liegt die Lüderitzbucht. Wer noch nicht dagewesen ist, jedoch Swakopmund bereits gesehen hat, ist geneigt anzunehmen, dass es hier genauso aussehen muss. Vielleicht etwas verträumter und kleiner. Aber Lüderitz ist völlig anders und in keiner Weise mit Swakopmund vergleichbar.
Das Charakteristische an Lüderitz ist der heftige Wind, der einen an den meisten Tagen im Jahr um die Ohren weht und die Straßen so sehr mit Sand bedeckt, dass sie durch große Maschinen geräumt werden müssen.
Man sollte Lüderitz vorzugsweise nicht an Wochenenden besuchen, da ab Samstag Mittag alles schließt. Selbst das Museum und die Kirche sind nur von montags bis freitags für Besichtigungen geöffnet. Kommt man am Wochenende nach Lüderitz, darf man sich mit dem Gedanken abfinden, alle Mahlzeiten und die abendlichen Drinks im Hotel einzunehmen, was natürlich bei weitem nicht so abwechselungsreich ist, wie der Besuch von lokalen Cafés oder Restaurants.
Erstmals wurde die Lüderitzbucht von dem portugiesischen Seefahrer Bartolomeu Diaz „entdeckt“. Er landete im Jahr 1487 als erster Europäer in der Bucht. Traditionsgemäß errichtete er ein Steinkreuz, das dafür zeugen sollte, dass er als erster Seefahrer das Land betreten hatte. Eine Nachbildung des Steinkreuzes ist einige Kilometer südlich von Lüderitz, an dem sogenannten „Diaz Point“ (Diaz Spitze) zu besichtigen. Das stark beschädigte Originalkreuz befindet sich in einem Museum in Kapstadt.
Ursprünglich hieß der am 12.Mai 1883 gegründete Ort Lüderitzbucht und wurde nach dem Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz benannt. Der Bremer Tabakhändler kaufte ein als wertlos angesehenes Stück Land aus dem Stammesgbiet der Nama, um dort Handelsposten zu errichten. Außerdem vermutete er zum damaligen Zeitpunkt bereits, dass sich in diesem Gebiet Bodenschätze befinden. Aufgrund der Tatsache, dass er sehr viel Geld in die Suche nach den vermuteten Bodenschätzen steckte, geriet er sehr bald in finanzielle Schwierigkeiten und musste letztendlich das erworbene Land an die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika verkaufen.
Lüderitz führte auf seiner Suche nach Bodenschätzen einige Expeditionen durch, kehrte jedoch 1886 von einer Erkundungstour zum Oranje nicht mehr zurück und galt von diesem Zeitpunkt an als verschollen. Er hatte entgegen aller rationalen Erwägungen mit seiner Vermutung sehr richtig gelegen und auch die Erkundungstour zum Oranje war rückblickend betrachtet ein äußerst sinnvolles Unterfangen, da die Diamanten tatsächlich über diesen Weg in die Namibwüste gelangen konnten. Ironischerweise wurden gut zwanzig Jahre später die ersten Diamanten in dem von Lüderitz einst erworbenen Gebiets gefunden. Der Diamantenfund führte zur Grundsteinlegung der Diamantenstadt Kolmanskop (im Deutschen „Kolmanskuppe“).
In der Anfangszeit profitierte auch die Lüderitzbucht von den Auswirkungen des Diamantenbooms. Der kleine Ort am Atlantik entwickelte sich zu einer wohlhabenden Stadt. Ab 1920 verlor jedoch Lüderitz wieder an Bedeutung, da sich der Diamantenabbau allmählich immer weiter Richtung Süden verlagerte. Neben dem Import und Export von Waren entwickelte sich in der Lüderitzbucht eine Fischfangindustrie, die jedoch nicht mehr den Wohlstand sichern konnte, den Lüderitz während des Diamantenbooms genießen durfte. Außerdem hatte sich die nördlicher gelegene Hafenstadt Walvis Bay bereits im Fischfang etabliert. Lüderitz drohte das gleiche Schicksal wie Kolmanskuppe – die Entwicklung zu einer Geisterstadt.
Die vielen wilhelminischen Bauwerke der Kaiserzeit verdankt Lüderitz seinen deutschen Gründungsvätern. Die deutschen Einwanderer wollten nicht auf die heimischen Bauwerke im Jugendstil verzichten und gaben den afrikanischen Straßen die passenden deutschen Namen, die sich teilweise bis heute nicht geändert haben. Besonders sehenswert sind die Gebäude an der Bergstraße, die hoch zur Felsenkirche führt.
Auch wenn die Statistiken eine positive Bevölkerungsentwicklung bestätigen, so erscheinen die Straßenbilder oftmals sehr trist und von Armut durchtränkt. Lüderitz bietet eine unglaublich hohe Arbeitslosenquote. Für diese Rahmenbedingungen charakteristisch befinden sich unverhältnismäßig viele Spielhallen in dem überschaubaren Ort. Auch der Zustand der öffentlichen Straßen, Plätze und Gebäude lässt auf leere Kassen schließen. Offensichtlich haben sich bereits viele Weiße der morbiden Stimmung entzogen und den Rückzug angetreten.
Seit 2007 wird in Lüderitz die „Lüderitz Speed Challenge“, eine jährlich stattfindende Segelregatta, ausgetragen. Dieses Ereignis zählt inzwischen zu den etablierten Veranstaltungen und ist wohl jedes Jahr recht gut besucht. Man versucht natürlich alles, um Lüderitz als Touristenstadt attraktiv zu gestalten. Auf Fotos festgehalten vermittelt Lüderitz oft die Illusion eines idyllischen Hafenstädtchens und die desillusionierte Atmosphäre, die der Ort vermittelt, kann nur vom Besucher selbst aufgenommen werden.
Man kann der Stadt nur wünschen, dass sich der Aufwärtstrend zukünftig durchsetzt. Natürlich muss die Stadt selbst a
n Attraktivität gewinnen, denn wer nach Lüderitz fährt, der muss auch nach Lüderitz wollen, denn an Lüderitz kommt man nicht zufällig vorbei. Lüderitz liegt als Zielpunkt am Ende einer schier unendlich langen Asphaltstraße, die Richtung Atlantik führt. Von dort aus geht es nirgendwo hin, denn südlich der Straße befindet sich das Diamantensperrgebiet und nördlich der Straße die Unendlichkeit der Namib – die kann man bestenfalls von Lüderitz aus im Rahmen einer organisierten Tour in einem Allradfahrzeug durchqueren – aber auch das kann sehr heiß und anstrengend werden.
Lüderitz bietet natürlich eine Reihe nationaler Denkmäler und viele Sehenswürdigkeiten in der Umgebung. Es fehlt der Stadt lediglich an für Tourismus geeignete Infrastruktur – und in diesem Kontext stellen die ansässigen Spielkasinos nicht gerade eine Bereicherung dar!
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